Durch eine Gesetzesänderung (NABEG 2.0) wird die Bewirtschaftung von Engpässen im Stromnetz ab dem 01. Oktober 2021 neu geregelt. Der Redispatch löst hierbei das bisherige Einspeisemanagement ab. Dadurch ergibt sich der neue Redispatch 2.0. Betroffen von dieser Neuregelung sind alle Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Leistung ab 100 Kilowatt sowie nachrangig alle vom Netzbetreiber steuerbaren Erzeugungsanlagen.
Der Redispatch 2.0 betrifft alle Marktteilnehmer, wie z.B. Anlagenbetreiber, Direktvermarkter oder Netzbetreiber. Alle Marktteilnehmer müssen neue Prozesse umsetzen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Marktprozesse, Kommunikation, Datenbedarfe und -austausch und Anlagensteuerung.
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
Zur sicheren Stromversorgung passen Netzbetreiber im Falle von Engpässen im Netz die Einspeisung von Erzeugungsanlagen an, sodass die gleiche Energiemenge geliefert, aber der Engpass behoben wird. Dies nennt man Redispatch. Bisher werden dafür vor allem große Kraftwerke auf der höchsten Spannungsebene (Höchstspannungsebene) eingesetzt.
Mit dem Wegfall von Kohle- und Kernenergie müssen künftig auch kleinere Anlage einen Beitrag leisten, damit die Energiewende gelingen kann. Im neuen Redispatch 2.0 werden nun auch alle Erzeugungsanlagen mit einer Leistung ab 100 Kilowatt und nachrangig alle durch den Netzbetreiber fernsteuerbaren Anlagen in den Redispatch-Prozess integriert. Ziel ist es, die Gesamtkosten aus dem Redispatch 1.0 im Höchstspannungsnetz und dem Einspeisemanagement im Hoch- und Mittelspannungsnetz zu optimieren und so die Netzentgelte zu senken und die Energiewende voranzutreiben.
Der Redispatch 2.0 ist ein planwertbasierter Prozess. Das heißt die Netzbetreiber ermitteln anhand von Prognosen der Einspeisung und Last mögliche Engpässe im Netz. Hierfür ist ein intensiver Datenaustausch nötig, welcher insbesondere zwischen den Netzbetreibern, aber auch mit den Anlagenbetreibern erfolgt.
Alle Erneuerbare-Energie- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, konventionelle Energieerzeugungsanlagen und Speicher ab einer Leistung von 100 kW sind in einem ersten Schritt vom Redispatch 2.0 betroffen. In einem zweiten Schritt werden auch EE- und KWK-Anlagen kleiner 100 kW, welche durch den Netzbetreiber steuerbar sind, mit einbezogen.
Insbesondere unterscheidet der Gesetzgeber nicht zwischen den verschiedenen Erzeugungsanlagen. Daher sind auch für Anlagen, welche z.B. zur Eigenversorgung dienen oder zur Notstromversorgung eingesetzt werden, die entsprechenden Daten auszutauschen.
Die einzige Ausnahme macht der Gesetzgeber für Anlagen, welche am Bahnstromnetz (16,7 Hz) angeschlossen sind. Diese müssen nicht am Redispatch 2.0 teilnehmen.
Die wesentlichen Aufgaben der Anlagenbetreiber sind die Folgenden:
Zu den genauen Anforderungen an die Stammdatenlieferung wird sich Ihr Netzbetreiber mit spezifischen Informationen und Aufforderungen an Sie wenden.
Der Redispatch 2.0 ist ein Prozess, welcher rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres läuft. Daher sind insbesondere die Prozesse zur Anlagensteuerung, aber auch die Lieferung von Bewegungsdaten dauerhaft zu bedienen.
In der Praxis erfüllen entweder der Direktvermarkter oder ein dritter Dienstleister die EIV- und BTR-Rolle für die Anlagenbetreiber.
Weitere Dienstleister können Sie der folgenden Liste entnehmen: BDEW Anbieterliste Dienstleister RD 2.0.
Im Redispatch 2.0 wurden zwei neue sog. Marktrollen eingeführt, der Betreiber der technischen Ressource (BTR) und der Einsatzverantwortliche (EIV). Jeder Marktrolle sind hierbei bestimmte Verantwortlichkeiten und Aufgaben zugeordnet. Eine Marktrolle wird durch eine natürliche oder juristische Person bekleidet, welche auch mehrere Marktrollen gleichzeitig bekleiden kann.
Der Anlagenbetreiber ist verpflichtet diese beiden Marktrollen selber zu bekleiden oder diese an einen Dienstleister abzugeben. Bei Anlagen in der Direktvermarktung werden die Rollen meist vom Direktvermarkter übernommen.
Für beide Marktrollen wird jeweils eine Marktpartner-ID (BDEW-Codenummern) benötigt. Diese kann auf folgender Webseite beschafft werden: https://bdew-codes.de/Codenumbers/BDEWCodes
Wenn ein Dienstleister mit der Rolle des EIV und/oder BTR beauftragt wird, muss durch den Anlagenbetreiber keine Marktpartner-ID beschafft werden.
Die Technische Ressource (TR) und Steuerbare Ressource (SR) sind neue Bezeichnungen von bestimmten Aggregationsstufen von Erzeugungs- und Speicheranlagen. Eine TR ist dabei ein technisches Objekt, welches Strom verbraucht und/oder erzeugt und stellt hierbei die kleinste Einheit dar. Eine TR kann z.B. ein Windrad eines Windparks oder ein Generator einer KWK-Anlage sein. Eine SR setzt sich aus einer oder mehreren TR zusammen, ist steuerbar und wirkt auf mindestens einen Netzanschlusspunkt. Außerdem kann es für eine SR auch nur einen EIV geben. Eine SR kann z.B. der gesamte Windpark oder die gesamte KWK-Anlage mit all ihren Generatoren sein.
Um im Redispatch 2.0 die TR und SR eindeutig identifizieren zu können, werden neue IDs vergeben. Im Regelfall werden diese IDs vom Anschlussnetzbetreiber beschafft. Der Anschlussnetzbetreiber wird dem Anlagenbetreiber die TR-ID mitteilen und außerdem einen Vorschlag zur Zuordnung der TR zur SR machen. Diese Zuordnung geschieht über die SR-ID. Wenn der EIV dieser Zuordnung nicht zustimmt, erfolgt eine bilaterale Abstimmung zwischen dem EIV und dem Netzbetreiber.
Redispatch 2.0 dient dazu Engpässe im Stromnetz aufzulösen. Hierfür ist der Anschlussnetzbetreiber berechtigt die Leistung aller Anlagen anzupassen. Technisch wird der Abruf wie bisher auch über bestehende Steuerungstechnik, wie z.B. Funkrundsteuerempfänger oder Fernwirkanlagen, umgesetzt.
Im Redispatch 2.0 wird jedoch zwischen den Verantwortlichen für die Steuerung unterschieden, dem sog. Duldungsfall und Aufforderungsfall.
Im Duldungsfall regelt der Anschlussnetzbetreiber die Anlage ab. Dies entspricht dem heutigen Einspeisemanagement. Der EIV wird hierbei über Connect+ über einen bevorstehenden Abruf informiert.
Im Aufforderungsfall ist der EIV der Anlage für die Regelung verantwortlich. Hierfür übermittelt der Anschlussnetzbetreiber über Connect+ eine Aufforderung zur Regelung der Anlagen an den EIV. Diese ist innerhalb einer bestimmten Reaktionszeit umzusetzen.
Der EIV kann zwischen dem Duldungs- und Aufforderungsfall wählen.
Entgegen dem jetzigen Einspeisemanagement „EinsMan“ wird im Redispatch 2.0 nicht nur die eingespeiste, sondern auch die abgeregelte Energiemenge (sog. Ausfallarbeit) je Viertelstunde einem Bilanzkreis zugeordnet und somit ein bilanzieller Ausgleich erzielt. Für diesen bilanziellen Ausgleich und die Abrechnung werden prinzipiell zwei Modelle angeboten. Es wird zwischen dem Prognosemodell und dem Planwertmodell unterschieden. Die beiden Modelle unterscheiden sich vor allem in der Art der Erstellung der Erzeugungsprognose und werden zwischen dem Anlagenbetreiber und seinem EIV für jede SR abgestimmt.
Im Planwertmodell muss der EIV Anlagenfahrpläne (Erzeugungsprognosen) für jede TR mindestens am Vortag an den Netzbetreiber übergeben. Um am Planwertmodell teilnehmen zu können, muss der EIV die Voraussetzungen des „Kriterienkatalog Planwertmodell“ (Anhang zu Anlage 1 zum Beschluss BK6-20-059 der Bundesnetzagentur) erfüllen. Erzeugungsanlagen mit einer Leistung ab 10 Megawatt müssen am Planwertmodell teilnehmen.
Im Prognosemodell wird die Erzeugungsprognose vom Netzbetreiber durchgeführt. Es müssen somit keine Anlagenfahrpläne an den Netzbetreiber übermittelt werden. Dem Prognosemodell werden alle Anlagen zugeordnet, die sich nicht im Planwertmodell befinden.
Das Abrechnungsmodell beschreibt die Methode, mit der im Falle einer Redispatch-Maßnahme die Ausfallarbeit ermittelt wird. Hier gibt es drei Verfahren, wobei die Wahl des Abrechnungsmodells Ihnen als Anlagenbetreiber obliegt:
Die Pauschal-Abrechnung basiert dabei je nach Energieträger auf der Fortschreibung der letzten vollständig gemessenen Leistungsmittelwerte der Anlage vor der Maßnahme für den Zeitraum der Redispatch-Maßnahme.
In der Spitzabrechnung wird die Ausfallarbeit auf Basis von anlagenscharfen Wetterdaten dynamisch je Viertelstunde ermittelt. Diese Wetterdaten sind vom BTR zu liefern. Das Spitz-Verfahren stellt also einen großen Aufwand für den BTR dar.
Bei wetterunabhängigen Anlagen im Planwertmodell wird die Differenz zwischen gemeldetem Fahrplan und gemessener Einspeisung für die Berechnung der Ausfallarbeit verwendet.
Im Redispatch 2.0 besteht zudem die Möglichkeit eine vereinfachte Spitzabrechnung (Spitz-Light) zu nutzen, falls keine eigene Messung der Wetterdaten an der Erzeugungsanlage vorhanden ist. Die Wetterdaten in diesem Verfahren werden dabei nicht direkt an der Erzeugungsanlage gemessen, sondern stammen von Dritten (bspw. Wetterdienstleister oder dem Netzbetreiber).
Das Abrechnungsmodell ist zudem abhängig vom Bilanzierungsmodell und der Art der Energieerzeugung.
Weitere Informationen finden Sie in der BDEW-Anwendungshilfe Einführungsszenario Redispatch 2.0 im Zusammenhang mit der Bundesnetzagentur-Festlegung BK6-20-059.
Ein Großteil der Daten, welche im Rahmen von Redispatch 2.0 ausgetauscht werden, werden über eine einheitliche Plattform ausgetauscht, welche im Projekt Connect+ erarbeitet wird. Diese Plattform soll im Regelbetrieb als Single-Point-of-Contact (SPOC) für die Anlagenbetreiber bzw. den Einsatzverantwortlichen, dienen. Die Plattform wird kostenlos zur Verfügung gestellt.
Anlagenbetreiber bzw. deren Einsatzverantwortliche, sollten sich zeitnah mit dem Zugang zu Connect+ beschäftigen.
Weitere Informationen zur zentralen Kommunikationsplattform Connect+ finden Sie unter: Connect+
Des Weiteren wird es in den meisten Fällen notwendig sein, dass die Netzbetreiber (einmalig) weitere Stammdaten von den Anlagenbetreibern einsammeln. Ist Ihre Anlage vom Redispatch 2.0 betroffen, sind Sie als Anlagenbetreiber verpflichtet, die Stammdaten an Ihren Netzbetreiber zu übermitteln. Hierbei kann es zu Schnittmengen mit den Daten kommen, die über Connect+ übermittelt werden müssen. Dies ist teilweise notwendig, damit Ihr Netzbetreiber die Daten validieren kann. Zudem kann es sein, dass Ihr Netzbetreiber weitere Daten benötigt, z.B. um die Ihnen entstehenden Kosten im Falle einer Abregelung richtig abrechnen zu können.
Für Prozesse, welche nach einem Abruf durchgeführt werden, z.B. die Abrechnung, werden die bereits etablierten Prozesse der Marktkommunikation (MaKo) entsprechend erweitert.
Als Anlagenbetreiber sind Sie verpflichtet, sich zu den neuen Prozessen und Anforderungen zu informieren und diese entsprechend umzusetzen. Insbesondere bedeutet dies, dass Sie die Rollen des Einsatzverantwortlichen und des Betreiber der technischen Ressource erfüllen. Wir empfehlen Ihnen hierfür einen Dienstleister zu beauftragen (z.B. Ihr Direktvermarkter, falls Sie einen Direktvermarkter haben).
Zu den spezifischen Kommunikationswegen und Anforderungen von Stammdaten wird sich Ihr Netzbetreiber zeitnah bei Ihnen melden.
Die Rahmenbedingungen des Redispatch 2.0 werden von der Bundesnetzagentur in verschiedenen Festlegungsverfahren geschaffen.
Die Grundlage für diese Festlegungen sowie weiterführende Erklärungen werden jedoch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geschaffen. Die Veröffentlichungen des BDEW zum Thema Redispatch 2.0 finden Sie unter: BDEW
Insbesondere in der BDEW Branchenlösung finden Sie eine ausführliche Erklärung der spezifischen Prozesse.
Weitere Informationen zur zentralen Kommunikationsplattform Connect+ finden Sie unter: Connect+
Die gesetzliche Grundlage des neuen Redispatch 2.0 finden Sie unter: NABEG 2.0
Schreiben Sie eine E-Mail an info@e-bridge.com und wir werden Ihre Frage in Abstimmung mit Ihrem Anschlussnetzbetreiber beantworten.